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HAND-PORTRÄTS

"Die Hände wollen einander treffen, denn so ist ihre Symmetrie. Aber sie können es nicht, denn auf ihrem Weg gibt es Gegenstände. Sie sind also durch ihre Gestalt selbst zum allmählichen Verständnis, zur fortschreitenden Eroberung der Welt genötigt. Die Neugier unserer Hände ist eine der Bedingungen, die uns auferlegt sind" (Vilém Flusser - Gesten).

Handwerk - Handeln - Handschlag... diese Worte faszinierten mich schon immer während meiner Arbeitsphasen. Aus der Hand lesen von links nach rechts, die Geschichte des jeweiligen Handabdruckes der Handoberfläche, durch negative und positive Abformungen und den Veränderungen in den Abformungen erzählen.

Die jeweiligen HandbesitzerInnen bestimmen ihre Lage der Finger und geben mir so kreative Freiheit, um ihre Form in eine Geschichte zu verwickeln. Ihre Geschichte / meine Geschichte - dies bleibt offen. Entweder spiegeln sich darin persönliche Erfahrungen oder Eindrücke zu spezifischen Bedürfnissen.
Zu den Formen gesellen sich Hand-Worte, die dem Porträt eine Heimat und Behausung geben und sein weiteres Schicksal benennen:


Handtag im Landtag (Ausstellung im Landtag Rheinland-Pfalz in Mainz)
sind die Porträts von 16 Personen - zusammengefügt zu einem Mandala - im Zentrum des Foyers des Eingangbereichs.

16 zusammengesetzte Substantive weisen von der Mitte, vom Abdruck der Hand der jeweiligen Person, nach außen zu einer neuen Form hin, zur Geschichte des jeweiligen Handträgers. Oder wie Vilém Flusser in der "Geste des Machens" beschreibt: "Die linke Hand hat verstanden, was der Gegenstand ist, die rechte Hand hat verstanden, was mit dem Gegenstand sein soll" (Formvergleich). Dies ist die Bewegung, durch die der Gegenstand verwandelt wird und die Hände sich treffen.

Die neben dem Mandala aufgestellte Klingelleiste zeigt die Namen, die Beheimatung des jeweiligen Porträtierten, auf. Das Mandala kann mit weiteren Handreihen ergänzt und erweitert werden.

Brigitte Kottwitz zeigt hier in Verbindung mit dem Material Ton die Formen der Hände und spürt der Frage der Wertigkeit des Gegenstandes nach. "Der Gegenstand wird untersucht, das Material vernommen, durchdrungen und die Hände entdecken im Material seinen Widerstand gegen den Wert, der ihm aufgezwungen wird" (Vilém Flusser).

Das Erdmaterial Ton ist eine plastische Masse, die zum Abdrücken der Hände, ihrer Kopie und der darauf folgenden Veränderung zum neuen Gegenstand gut geeignet ist. Die Farbigkeit der verschiedenen Erden, wie die keramische oder untypisch keramische Weiterverarbeitung (z.B. Acrylbemalung) zeigen wesentliche Eigenschaften des Porträtierten aus der Sicht der Künstlerin auf. Als Alltagsgegenstand dient Ton als Behältnis für alle lebenswichtigen Bereiche. Hier steht er für die Hände - ein für uns wichtiger Körperteil, der für unser Verständnis vom Be-greifen der Welt von Nöten ist. Die Hand wird zum Wort, wird zu einem Gegenstand, wird zu einem Wert. Der Gegenstand wird so lange verändert, bis er in einem neuen Kontext steht ("function follows form").

Brigitte Kottwitz erdet den Porträtierten, zentriert ihn in einer Kreisfläche, konzentriert ihn aus vielen Farben und Einzelteilen in ein ganzes Bild. Es entsteht eine Kommunikation, ein Mandala.


Brigitte Kottwitz 2002


nach oben       www.BrigitteKottwitz.de