Der Lachende Kirchturm, ein CaBri Projekt
„Lachen erlaubt“ ist eine Reihe von Lach-Klang-Installationen. Analog zum Glockenschlag ertönt ein Lachen, das sich jede Viertelstunde wiederholt. Die Lachmelodie wird dabei von der Viertel- bis vollen Stunde immer intensiver, und endet in einem grossen Lachgefühl. Stündlich wiederholt sich die Melodie von vorne.
Heute, wo Lachen in der Öffentlichkeit vermieden oder als Peinlichkeit angesehen wird, möchte ich an den Stellenwert des Lachens erinnern und zum Mitlachen animieren. Das Lachen ist ein Wir-Gefühl – es heißt, in der Gemeinschaft lacht es sich am besten. Im Augenblick des Lachens bleiben wir kontrollfrei, um das Kind in uns wieder entdecken zu können. Die treibende Zeiteinteilung der Uhr, die das Leben der Menschen in ihrem Ablauf regelt, wird zu fröhlicher Freiheit.
Das CaBri-Projekt (Brigitte Kottwitz und Carolyn Krüger) wurde in mehreren Kirchtürmen und einem historischen Rathaus für jeweils zwei Wochen realisiert:
- 2007 alte Kirche in Hausen im Odenwald
- 2010 Turm der Wartburgkirche, Frankfurt am Main
- 2011 Turm der Emmaus Kirche, Berlin
- 2012 Rathaus Alsfeld
- 2012 Offene Kirche Elisabethen, Basel
- 2017 Altstädter Nicolaikirche, Bielefeld
- 2017 Turm der Wartburgkirche, Frankfurt am Main
Altstädter Nicolaikirche, Bielefeld
Aktion Lachen erlaubt, Altstädter Nicolaikirche, Bielefeld, 2017. Kirchturm von innen, Lautsprecher und Technik für die Klanginstallation. Bielefelder Lachyoga-Expertin und Organisatorin Silvia Rössler, Podcast-Website: Die Kraft des Lachens. Kirchenschiff Innenraum. Carolyn Krüger, Silvia Rössler und Brigitte Kottwitz, die Macherinnen.
Die Veranstaltung wurde von den Schirmherren Dr. Eckart von Hirschhausen und Michael Berger, Humorkirche unterstützt. Das Grußwort hielt der Gründer der Lachyoga Universität, Dr. Madan Kataria. Pfarrer Armin Piepenbrink-Rademacher war Gastgeber und Mitorganisator.
Presseartikel
„Wer lacht denn da?“, Ev. Sonntags-Zeitung Nr. 24 vom 11. Juni 2017 (PDF)
„Der Kirchturm lacht zu jeder Viertelstunde“, NW Bielefelder Tagblatt vom 20.4.2017
„Dem Leben lachend begegnen“, Unsere Kirche – evangelische Wochenzeitung vom April 2017 (PDF)
Wartburggemeinde, Frankfurt
Pressetext zur CaBri Klanginstallation „Lachen erlaubt“,
Lutherturm der Wartburgkirche lacht vom 17. bis 25. Juni 2017 in Frankfurt‐ Bornheim (PDF)
Die Frankfurter Künstlerinnen Carolyn Krüger und Brigitte Kottwitz haben den Lutherturm der Wartburgkirche während der 1. Global Laughter Yoga Conference vom 23. bis 25. Juni 2017 für neun Tage zum Lachen gebracht. Die Konferenz stand unter der Schirmherrschaft des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann. Der Kirchturm war mit Bannern der Lutherportraits von Lukas Cranach zum 55. Jubiläum der Wartburgkirche im Lutherjahr neu gestaltet. Die Frage, ob Christen auch Humor haben, hat Luther eindeutig beantwortet. Zitat: „Wo Glaube ist, da ist auch Lachen“.
Am 22. Juni haben sich die globalen Konferenzteilnehmer und Besucher um 17 Uhr in der Kirche zu einem Friedensgebet mit Musik aus aller Welt mit Pfarrer Thomas Diemer zusammen gefunden. Mit dabei waren Madhuri und Dr. Madan Kataria aus Indien, die Gründer der Lachyoga-Bewegung. Hier trafen sich Christentum und Hinduismus. Danach gingen alle in den nahe gelegenen Günthersburgpark zu einer Open Air Lach-Session, die in einem Picknick endete. In unserer Klanginstallation für einen Kirchturm „Lachen erlaubt, Lachen als Friedensbotschaft“ sehen wir das Lachen als einen Lösungsweg. Denn wer lacht, bewegt sich im Augenblick. Gemeinsames Lachen ist Kommunikation, denn wenn man jemanden anlacht, bekommt man ein Lachen zurück. Das Lachen ist ein Zeichen und ein Mittel zum Frieden zwischen den Menschen, und vom Kirchturm ist es ein Angebot zur Freude und zum gemeinsamen Lachen.
Weiteres ausführliches Material zu dem Projekt: www.cabrikunst.de
Thomas Diemer: Es darf gelacht werden…
Der lachende Kirchturm mit CaBriKunst
Es darf gelacht werden…, so hieß in den 60er Jahren eine Sendereihe des Fernsehens, in der lustige Kurzfilme aus der Stummfilmzeit gezeigt wurden. Lachen musste ausdrücklich erlaubt werden. Das lässt die eher traurige Schlussfolgerung zu, dass herzliches Gelächter ansonsten nicht überall erwünscht war.
Die bundesrepublikanische Gesellschaft gab sich damals noch vorwiegend seriös. Wo sich heute selbst Nachrichtensprecher ironische Bemerkungen und witzige Anspielungen erlauben, da herrschte in den 60er Jahren unerschütterliche Ernsthaftigkeit. Nur in der Faschingszeit, da zeigte man „Mainz wie es singt und lacht“ und Heinz Erhardt sagte noch ein Gedicht auf. Ansonsten gab es viele humorfreie Zonen. Nicht nur im Schulunterricht erhielt man einen Tadel, wenn man unerlaubt lachte, sondern auch im Gottesdienst war das Lachen eine Seltenheit und wurde mit Missfallen zur Kenntnis genommen.
Vor allem das Abendmahl war lange Zeit eine todernste Angelegenheit, bei der man nur finsteren Blicken begegnete. Die christlichen Kirchen zeigen auf weite Strecken ihrer Geschichte ein eher distanziertes Verhältnis zum Humor. Geweint wird in der Bibel oft, aber vom Lachen ist selten die Rede. Ist das Christentum, vor allem in Europa, etwa eine besonders freudlose Angelegenheit?
In anderen Kulturen ist das Lachen ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens und damit auch der Religion. Jeder kennt das Bild des glücklich lachenden Buddhas. Aber wer hat schon einmal einen ebenso ausgelassenen Jesus gesehen? In der kirchlichen Bildtradition lächelt er höchstens milde und verhalten. Und auch das kommt selten vor. Dabei stecken einige von Jesu Gleichnissen voll hintergründigem Humor. Wollte er vielleicht zum befreienden Lachen anstecken? Christen hätten durchaus Anlass zur Freude. Denn wenn das Evangelium, das uns verkündigt wird, wirklich eine Frohe Botschaft ist, dann haben wir doch allen Grund zur Ausgelassenheit. Anknüpfen könnte man auch an die Tradition des Ostergelächters, des „risus paschalis“. Im Mittelalter war es Brauch, am Ostersonntag im Gottesdienst den Tod und den Teufel öffentlich auszulachen, denn die Auferstehung hat sie entmachtet. Es gibt also eine Tradition der Heiterkeit. Wo aber ist das Lachen geblieben?! Es kann doch nicht sein, dass Freude und Ausgelassenheit in unserer Religion keine Rolle spielen. Wenn, wie uns gesagt wird, Jesus ein echter Mensch gewesen ist, und zugleich Gott in ihm erfahrbar und sichtbar geworden ist, dann kann es nicht anders sein, als dass auch er herzlich gelacht hat und seine Jünger mit ihm.
Anmerkung:
Die Reformatoren sprachen sich gegen diesen Brauch aus. Aber nur deswegen, weil er unbegabte Witzbolde auf der Kanzel dazu verführe, auf Kosten Schwächerer ihre Possen zu reißen oder über Dinge zu scherzen, „die Eheleute in ihrer Kammer und ohne Zeugen zu tun pflegen“. Vgl. Johannes Ökolampad, De Risu Paschali, ad V. Capitonem Theologum Epistola apologetica, Basel 1518.
Der „Lachturm“ von Carolyn Krüger und Brigitte Kottwitz
Zwei Wochen lang im Juni 2007 waren die Glocken der Wartburgkirche nicht zu hören. Stattdessen kam alle fünfzehn Minuten Gelächter vom Turm. Die erste Viertelstunde ein leichtes Lachen, zur halben Stunde ein stärkeres, zur Dreiviertelstunde ein noch stärkeres und zur ganzen Stunde ein schallendes Lachen. Das verärgerte einige und erfreute viele.
Das Kirchturmlachen war eine Kunstaktion von Brigitte Kottwitz und Carolyn Krüger aus Frankfurt am Main. Unter dem Namen „CaBri“ verwirklichen sie gemeinsame Kunstprojekte. Brigitte Kottwitz ist seit mehr als 10 Jahren Trainerin im Lachclub-Frankfurt und leitet wöchentlich eine Lachyoga-Veranstaltung. Als Künstlerin kommt sie von der Arbeit mit Keramik her. Carolyn Krüger ist Medienkünstlerin. Sie betreut auch das deutsche Lachyoga-Forum. Da viele Menschen Lachen eher vermeiden oder als Peinlichkeit ansehen und „Cool“-Sein für Jugendliche wichtig ist, möchten die beiden Künstlerinnen ein heilsames Gegengewicht schaffen. Sie wollen an den Stellenwert des Lachens erinnern und zum Mitlachen anregen. Sie stellten sich vor, dass Menschen, die den Kirchturm lachen hören, innehalten und sich fragen, wer lacht denn da? Dann werden sie merken, dass das Lachen von oben kommt, sie werden schmunzeln, es lächerlich finden oder sogar mitlachen.
Lachen ist ein Wirgefühl, das heißt, in der Gemeinschaft lacht es sich am besten. Es erlaubt uns in diesem Augenblick die Erfahrung von Kontrollfreiheit. Wir können das Kind in uns wiederentdecken. Die gefühlte Zeit läuft für Lachende anders als nach der Einteilung der Uhr, die das Leben der Menschen in ihrem Ablauf regelt. Sie wird zu einer Zeit fröhlicher Freiheit.
Der lachende Kirchturm sorgte für manche interessante Diskussion. Während die einen um die Ernsthaftigkeit der Kirche bangten, waren andere der Meinung, dass eine christliche Gemeinde viel Grund zum Lachen habe. Um den Sinn der Aktion ins Gespräch zu bringen, gab es einen Vortrag von Harald-Alexander Korp, Philosoph und Lachyoga-Lehrer aus Berlin, mit dem Titel: „Lacht Gott? Humor in den Religionen“. Die Künstlerinnen vermitteln gerne ein Veranstaltungspaket mit der Aktion. Dazu gehört auch der Vortrag von Harald-Alexander Korp.
Die Presse berichtete ausführlich über die Kunstaktion. Schließlich wurde sogar in Satl ein Beitrag über den lachenden Turm der Wartburgkirche gesendet. Dieser Fernsehbericht kann im Internet abgerufen werden (siehe unten). Insgesamt hatten Künstlerinnen und Gemeinde also gut lachen und konnten sich über den Erfolg dieser Kunstaktion freuen.
Text von Thomas Diemer, Evangelischer Pfarrer an der Wartburggemeinde, Frankfurt. Ein Beitrag zur Ausgabe 116 LEBENSRÄUME der Reihe Materialbücher des Zentrum Verkündigung, Herausgegeben von Dr. Markus Zink.
Reaktionen
Eine junge Nachbarin mit Kind äußerte sich so: „Das Lachen ist nicht so laut, dass wir es bis nach Hause hören, auf der Straße vor der Kirche haben wir es das erste Mal bemerkt. Wir sind sofort die Treppe hinaufmarschiert, sind aber nur bis zur Hälfte gekommen, da es Berfan zu gruselig wurde. Schließlich hörte er ein Lachen, konnte aber niemanden sehen.“
Eine andere Nachbarin meinte: „Das ist doch mal etwas anderes und eine tolle Sache, Lachen ist gesund. Am schönsten finde ich, wenn sich die Leute auf der Straße umschauen, um zu sehen, woher das Gelächter kommt.“
Und ein Galerist kommentiert: „Ich empfinde das Lachen des Turms angenehmer als Glockengeläut. Es sorgt für eine fröhliche entspannte Stimmung, die man in dieser Form so ja nicht kennt. Denn bei Kirchen ist das normalerweise so nicht üblich. Für mich ist die Aktion fast schon zu politisch korrekt. Ich bevorzuge eher Ecken und Kanten in der Kunst.“
(Zitate: Frankfurter Neue Presse, 28.6.2010)